RA Schützle hat zur Frage der Zulässigkeit einer Videoüberwachung auf dem Heilbronner Marktplatz gegenüber der Heilbronner Stimme Stellung genommen.
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Hier finden Sie den Volltext der Stellungnahme von RA Schützle:
Frage: Wie ist die Rechtslage beim Thema Videoüberwachung in der Innenstadt? Ab wann ist sie geboten und wann nicht?
Das Thema „Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen“ wird momentan tatsächlich in vielen Städten heiß diskutiert. Der Einsatz von Techniken zur Videoüberwachung bedarf wie jede Datenverarbeitung immer einer Rechtsgrundlage. Einschlägig dürfte für Heilbronn die Regelung des § 44 des Polizeigesetzes Baden-Württemberg (PolG BW) sein.
Link zum Gesetzestext: https://dejure.org/gesetze/PolG/44.html
Die Vorfälle, die aktuell in Heilbronn für Diskussionen sorgen, dürften unter die Regelung von § 44 Abs. 3 PolG BW fallen. Darin heißt es auszugsweise:
„Der Polizeivollzugsdienst oder die Ortspolizeibehörden können an öffentlich zugänglichen Orten Bild- und Tonaufzeichnungen von Personen anfertigen, wenn sich die Kriminalitätsbelastung dort von der des übrigen Gemeindegebiets deutlich abhebt und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist.“
Die Videoüberwachung ist also grundsätzlich auf Bereiche beschränkt, in denen die Kriminalitätsbelastung höher ist, als in anderen Bereichen der Gemeinde / Stadt und für die es die Befürchtung gibt, dass dort auch zukünftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist.
In Heilbronn dürften die genannten Voraussetzungen aufgrund der bereits seit längerem bekannten Problematik rund um den Marktplatz und die Kilianskirche wohl vorliegen.
Frage: In Stuttgart, Mannheim und Heidelberg wird polizeiliche Videoüberwachung eingesetzt. Warum ist das nicht in Heilbronn möglich?
Es stellt sich tatsächlich die Frage, warum in Heilbronn – anders als in anderen Städten – bislang keine Videoüberwachung eingeführt wurde.
Dazu folgende Erklärung:
Wie auch in anderen Bereichen behördlichen Handelns muss auch bei der Einführung einer Videoüberwachung in öffentlichen Bereichen immer der sog. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten werden. Dies bedeutet, dass Polizeivollzugsdienst und Ortspolizeibehörden bei ihrer Tätigkeit das mildeste zur Verfügung stehende Mittel wählen müssen. Hintergrund dafür ist, dass bei einer Videoüberwachung im öffentlichen Bereich auch „normale Passanten“ bzw. nicht an den Straftaten und Ordnungswidrigkeiten beteiligte Personen erfasst werden.
Die verantwortlichen Stellen müssen daher prüfen und bewerten, ob die ergriffenen Maßnahmen ausreichend sind, um Missstände zu beseitigen, oder ob weitergehende Maßnahmen erforderlich sind. Bislang sind die verantwortlichen Stellen in Heilbronn zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Videoüberwachung (noch) nicht notwendig ist, da sich die aufgetretenen Probleme z.B. durch verstärkte Streifengänge, das Aussprechen von Platzverweisen, erkennungsdienstliche Maßnahmen etc. zumindest zeitweise bessern ließen.
Sofern die aktuellen Ereignisse dazu führen, dass die Entscheidung in Heilbronn nochmals neu überdacht werden muss, müssten die verantwortlichen Stellen neu bewerten, ob eine Abhilfe durch Videoüberwachung erforderlich ist. Hierbei wäre zu berücksichtigen, dass eine vollständige personelle Überwachung durch Polizeivollzugsdienst bzw. Ortspolizeibehörde rund um die Uhr personal- und auch kostenmäßig nicht leistbar sein wird. Auf der anderen Seite sollte aber auch nicht verschwiegen werden, dass sich in anderen Städten, die bereits Videoüberwachung einsetzen, zeigt, dass eine Videoüberwachung oftmals dazu führt, dass sich die Kriminalitätsschwerpunkte an andere Orte verlagern, die nicht von der Videoüberwachung erfasst werden.
Wenn es also in Heilbronn darum geht, den Markplatz und das Gebiet um die Kilianskirche herum wieder „sicherer“ zu machen, wäre eine Videoüberwachung grundsätzlich möglich – und rechtlich auch zulässig.
Wenn eine Videoüberwachung eingeführt werden sollte, müsste gemäß § 44 Abs. 10 PolG BW auf diese hingewiesen werden:
„Auf die Beobachtung mittels Bildübertragung und die Bild- und Tonaufzeichnung sowie die automatisierte Auswertung ist, sofern diese nicht offenkundig ist, in geeigneter Weise hinzuweisen“.
Dies könnte z.B. mittels entsprechender Beschilderung erfolgen.
Frage: Liegt der Einsatz der Videoüberwachung im Ermessen der zuständigen Stelle?
Die zuständige Stelle muss bewerten und entscheiden, ob eine Videoüberwachung erforderlich ist, weil es kein anderes – milderes – Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks (Eingrenzung Kriminalität, Stärkung Sicherheitsgefühl etc.) gibt. Die Entscheidung darf dabei nicht willkürlich sein, sondern muss „nach pflichtgemäßem Interesse“ anhand objektiver / nachprüfbarer Kriterien vorgenommen werden. Zu diesen Kriterien zählen z.B. voraussichtliche Kosten und zur Verfügung stehende personelle Mittel in Relation zum erhofften Erfolg der geplanten Maßnahmen.
Also vereinfacht gesagt:
Abzuwägen ist hierbei, ob es andere / mildere Mittel als eine Videoüberwachung gibt, die letztlich zum gleichen Ziel führen. Richtigerweise hat die zuständige Stelle bei dieser Abwägung einen Beurteilungsspielraum, was bislang dazu geführt hat, dass die zuständige Stelle in Heilbronn auf eine Videoüberwachung verzichtet hat. Ob die aktuellen Ereignisse eine Änderung dieser Abwägungsentscheidung ergeben, bleibt abzuwarten.